- 71 Prozent der jungen Europäer würden bei Referendum gegen Austritt aus EU stimmen
- Terrorismusbekämpfung wird als wichtigste Aufgabe der EU gesehen
- Verringerung sozialer Ungleichheit ist wichtigste nationale Aufgabe
- Nur jeder dritte junge Europäer vertraut EU-Institutionen – Gewerkschaften, Kirchen und Medien schneiden noch schlechter ab
- 17 Prozent der Befragten sagen, dass das politische System im eigenen Land so funktioniert wie es sollte – fast jeder Zweite (45 Prozent) sieht Reformbedarf
- „Junges Europa 2018 – Jugendstudie der TUI Stiftung“ durchgeführt von YouGov in sieben EU-Ländern (Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Polen, Griechenland); 6080 junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren online befragt
Bei jungen Europäern wächst die Zustimmung zur EU wieder, ihr Zweifel an den demokratischen Institutionen ist stark ausgeprägt. Das ist ein zentrales Ergebnis der zweiten Europäischen Jugendstudie, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag der TUI Stiftung erstellt hat. So hat die Zustimmung zur EU gegenüber 2017 in allen befragten Ländern zugenommen: Wenn morgen ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft des jeweiligen Landes stattfinden würde, würden 71 Prozent der Befragten gegen einen Austritt stimmen, 2017 waren es nur 61 Prozent. In Deutschland sind es sogar 80 Prozent (2017: 69 Prozent). Die EU wird insgesamt positiver wahrgenommen. Das zeigt sich auch am Anteil junger Europäer, die sich ausschließlich als Bürger ihres Heimatlandes beschreiben. Dieser nimmt ab, 2018 sind es 34 Prozent, 2017 waren es 42 Prozent. „Die Ergebnisse der Studie zeigen: Europa erlebt ein Comeback bei jungen Menschen. Der Brexit hat wachgerüttelt. Wir reden wieder über Stärken, Chancen und Errungenschaften. In einer Welt, die an vielen Orten in Unruhe ist, in der nationale Abschottung statt Kooperation als Lösung propagiert wird, erhält Europa eine neue Kontur und wir haben wieder echte Debatten, mit denen sich positive Einstellungen zur EU stärken lassen,“ kommentiert Thomas Ellerbeck, Vorsitzender des Kuratoriums der TUI Stiftung. Die Studie wurde am Donnerstag in Berlin von Elke Hlawatschek, Geschäftsführerin der TUI Stiftung, vorgestellt.
Junge Europäer: Terrorbekämpfung in der EU wichtigste Aufgabe
Als wichtigste Aufgabe für die nächsten fünf Jahre sehen die befragten Jugendlichen auf EU-Ebene die Bekämpfung des Terrorismus (44 Prozent), den Umwelt- und Klimaschutz (34 Prozent), sowie die Regulierung von Einwanderung (33 Prozent) an. Auf nationaler Ebene stehen für junge Europäer die Förderung von Wirtschaftswachstum (39 Prozent) und die Verringerung von sozialer Ungleichheit (35 Prozent) an vorderster Stelle. Der Kampf gegen den Terrorismus liegt bei 29 Prozent. Als eine eher nationale Aufgabe sehen die jungen Erwachsenen auch die Unterstützung von Bildung und Wissenschaft. 17 Prozent sehen dieses Thema als wichtige Aufgabe der EU, 26 Prozent als wichtige Aufgabe ihres Landes. Für die deutschen Jugendlichen ist die Förderung von neuen Technologien, sowie Internet und Digitalisierung von großer Wichtigkeit. Für 21 Prozent ist dies eines der wichtigsten drei Themen auf EU-Ebene, und sogar für jeden Dritten (29 Prozent) auf nationaler Ebene. Das ist der höchste Wert im Vergleich der sieben befragten Länder, in Spanien liegt der Wert zwischen 7 (EU) und 5 Prozent (national).
Junge Erwachsene misstrauen Behörden und Institutionen
Während die Zustimmung zur EU wächst, misstrauen die jungen Erwachsenen weiterhin den Behörden und Institutionen. Nur jeder Dritte (33 Prozent) vertraut den EU-Institutionen wie dem Europa-Parlament oder der EU-Kommission. In Deutschland sind es immerhin 37 Prozent. Gewerkschaften, Banken, Kirchen und öffentlich-rechtliche Medien sowie Konzerne schneiden europaweit schlechter ab. Am meisten vertrauen die Befragten der Wissenschaft und Wissenschaftlern (71 Prozent), sowie der Polizei (52 Prozent) und den Gerichten (39 Prozent). Die politischen Parteien landen ganz am Ende der Skala: In Deutschland wie in allen anderen Ländern glauben junge Menschen am wenigsten an die Verlässlichkeit von politischen Parteien, auch Parlament und Regierung genießen kein hohes Vertrauen.
Junge Europäer äußern einen starken Wunsch nach politischer Veränderung: Nicht einmal jeder Fünfte (17 Prozent) ist der Meinung, dass das politische System im jeweiligen Land so funktioniert wie es sollte. Nahezu jeder Zweite (45 Prozent) denkt, dass das politische System reformbedürftig ist und weitere 28 Prozent glauben, dass nur radikale Veränderungen die Dinge „wieder in Ordnung bringen“ können. Während in Deutschland der Anteil an jungen Menschen, die das politische System als funktionstüchtig einschätzen, überdurchschnittlich hoch ist (39 Prozent), ist der Anteil derjenigen, die radikalen Wandel befürworten, besonders hoch in Griechenland (52 Prozent), Italien (43 Prozent) und in Spanien (35 Prozent).
7 bis 23 Prozent sind populistisch eingestellt
In der Studie wurden in diesem Jahr auch erstmals populistische Einstellungen unter jungen Europäern gemessen. Dazu wurden 15 Fragen gestellt, u.a. zum Anti-Elitarismus („Leute wie ich haben keinen Einfluss darauf, was die Regierung macht“), zur Volkssouveränität („Das Volk sollte bei allen wichtigen Entscheidungen gefragt werden“) und zum Verständnis des Volkes als Einheit („Die einfachen Leute ziehen alle an einem Strang“). Demnach reicht der Anteil von jungen Menschen mit populistischen Einstellungstendenzen von sieben Prozent in Deutschland bis zu 23 Prozent in Polen. Als populistisch gilt, wer 12 der 15 Fragen zustimmend beantwortet hat. Diese Jugendlichen zeigen sich kritischer mit der Gestaltung des demokratischen Systems: 39 Prozent geben an, dass das politische System in ihrem Land so schlecht funktioniere, dass radikale Veränderungen notwendig seien. Vor allem Griechenland (66 Prozent), Italien (51 Prozent), Polen (41 Prozent) und Spanien (39 Prozent) sind hier an der Spitze. Populistisch eingestellte Jugendliche sind eher bereit, grundsätzliche demokratische Elemente aufzugeben. So fänden es 64 Prozent dieser Jugendlichen besser, wenn wichtige politische Entscheidungen von unabhängigen Experten und nicht von gewählten Politikern getroffen würden. „Für populistisch eingestellte Jugendliche ist die Staatsform Demokratie vielfach ein inhaltsleerer Begriff – sie haben die Vorstellung einer illiberalenDemokratie, in der rechtsstaatliche Prinzipien wenig zählen oder ausgehebelt werden können. So können sich über 35 Prozent vorstellen, die Rechte der Opposition einzuschränken. Ihnen erscheint der politische Prozess also zu intransparent und zu zäh“, sagt Marcus Spittler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), der die Studie wissenschaftlich begleitet hat.
Facebook wird als wenig vertrauenswürdig eingeschätzt
Dies wird auch anhand der Mediennutzung der Befragten deutlich: 82 Prozent aller Befragten informieren sich im Internet über das aktuelle politische Geschehen und nur 30 Prozent über gedruckte Zeitungen und Nachrichtenmagazine. Mit Blick auf das Internet liegt Facebook bei der Beschaffung von Informationen über Politik mit 44 Prozent ganz weit vorne, gefolgt von Online-Angeboten von Zeitungen und Nachrichtenmagazinen (34 Prozent) und YouTube (28 Prozent). Öffentlich-rechtliche Medien genießen vor allem in Frankreich, Deutschland und Großbritannien hohes Vertrauen; in Polen und Griechenland vertrauen besonders wenige öffentlich-rechtlichen Medien. Obwohl Facebook als Informationsquelle sehr relevant ist, halten es die Befragten für nicht vertrauenswürdig. Ganz oben stehen die gedruckten Ausgaben der Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine mit 37 Prozent, Facebook liegt nur bei 17 Prozent – in Deutschland wird dem sozialen Netzwerk von allen abgefragten Möglichkeiten am wenigsten vertraut (8 Prozent).
Elke Hlawatschek, Geschäftsführerin der TUI Stiftung, kommentiert die Ergebnisse: „Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehen Hand in Hand. Ein hohles Demokratieverständnis, wie wir es bei jungen Menschen mit populistischen Tendenzen beobachten, ist problematisch. Politische Bildung bleibt eine wichtige Aufgabe für alle gesellschaftlichen Akteure, nicht nur die Politik. Als TUI Stiftung wollen wir unseren Teil beitragen, jungen Menschen die Vorteile eines demokratischen Europas zu erklären.“