Tarik Evers und sein Team bearbeiten für TUI neue Quellmärkte wie Spanien, Portugal, Brasilien, Indien und Malaysia. Der Finanzchef des Bereichs Future Markets erzählt im Interview, wie das Unternehmen rein digital und mit innovativer Technologie Kunden in Ländern gewinnt, in denen TUI bisher nicht oder kaum vertreten war.
Herr Evers, sie betreuen bei TUI die Future Markets. Was macht diese Märkte so besonders?
Wir haben uns vom klassischen Reiseveranstalter zu einem Produktunternehmen mit eigenen Hotels und Kreuzfahrtgesellschaften gewandelt. Mit dem Ausbau des Hotel- und Kreuzfahrtportfolios steigt auch das Auslastungsrisiko – aktuell haben wir rund 100 Millionen Bettennächte pro Jahr, die es zu vermarkten gilt. Um dies zu gewährleisten, müssen wir bei unseren Veranstaltern wachsen. In unseren Hauptmärkten Deutschland, Großbritannien, Benelux, Frankreich und in den Nordischen Ländern haben wir rund 21 Millionen Kunden und sind bereits fast immer die Nummer eins auf der Anbieterseite. Darum gehen wir schrittweise neue Quellmärkte an, die für uns besonders interessant sind, um Kunden für unsere Produkte zu gewinnen. Wir bieten dort zuerst einmal Hotels an.
Nach welchen Kriterien suchen Sie diese Märkte aus?
Die Entscheidung für ein Land ist sehr komplex. Auf der einen Seite schauen wir natürlich auf das allgemeine Wachstum. Da kommen dann zum Beispiel die BRIC-Staaten ins Bild, also Brasilien, Russland, Indien und China, die als stärkste Schwellenländer gelten. Auf der anderen Seite muss es auch strategisch passen. Zunächst einmal haben wir uns deswegen fünf Quellmärkte ausgesucht: Spanien, Portugal, Brasilien, Indien und Malaysia. Sie alle haben unterschiedliche Voraussetzungen, die aber alle gut zu uns passen.
Spanien etwa hat ein hohes Potenzial, weil dort 80 Prozent der Menschen ihren Urlaub im eigenen Land verbringen. Sie fahren mit dem Auto in die Natur, in die Pyrenäen, nach Galicien oder an die Küste, zum Beispiel an die Costa del Sol. Sie mögen den Strand, gutes Essen und einen gewissen Luxus. Und genau das können wir dort mit unseren eigenen starken Hotelmarken liefern. Ähnliches gilt auch für Portugal.
Bleiben wir beim Beispiel Spanien und Portugal: Wie sind Sie dort vorgegangen?
In Spanien und Portugal setzen wir – genau wie in den anderen Future Markets – auf reine Online-Lösungen. Deshalb nutzen wir eine hochqualitative Technologie, die sich auf unseren Online-Plattformen und in unseren Apps beliebig skalieren lässt. Das heißt: Wo wir in Deutschland und Großbritannien jeweils ein eigenes Veranstaltersystem haben, da haben wir für die Future Markets eine Website entwickelt, die mit vielen Sprachen funktioniert. Wir müssen diese – mal ganz einfach gesagt – nur austauschen. Und weil wir die portugiesische Sprache bereits in Portugal nutzen, ist Brasilien besonders geeignet.
Neben den bereits angesprochenen Fähigkeiten der Plattform, also ihrer Skalierbarkeit und der Möglichkeit, unterschiedliche Sprachen zu verwenden, muss die Technologie natürlich auch sehr schnell und zuverlässig sein. Sie muss zum Beispiel zehntausende gleichzeitige Anfragen intelligent verarbeiten können. Es darf ja nicht sein, dass ein Kunde etwas sucht, findet und buchen möchte, die Urlaubskapazitäten dann aber nicht zur Verfügung stehen. Wir haben dafür von verschiedenen externen Anbietern eine Plattform entwickeln lassen, die in Millisekunden Anfragen, Preise und Verfügbarkeit zeigt.
Wie machen Sie die einzelnen Länderplattformen bekannt?
Um weltweit wahrgenommen zu werden, müssen wir uns eng mit den touristischen Meta-Suchmaschinen Google, TripAdvisor und trivago verknüpfen. Wir bereiten unsere Engagements dort jeweils auf kleinerer Flamme vor und erweitern sie dann nach den ersten Erfahrungen. Für die Kontaktaufnahme haben wir Callcenter, zum Beispiel in Spanien, die alle Rückfragen bearbeiten können.
Wir haben über Spanien, Portugal und Brasilien gesprochen. Wie sieht es in den asiatischen Ländern aus?
Indien hat für uns ein sehr hohes Potenzial, allein wegen der Bevölkerung. Von den 1,4 Milliarden Menschen können und wollen 120 Millionen reisen. Knapp acht Millionen machen auch Urlaub zum Beispiel in Südostasien, wo wir mit Hotels und Resorts in Vietnam, Thailand oder auf den Malediven vertreten sind. Malaysia ist ein Sonderfall, weil wir dort gar nicht mit unserer eigenen Marke auftreten, sondern eine Website gemeinsam mit Malaysia Airlines führen. Das funktioniert aber auch schon gut.
Welche Hotels bieten Sie auf den Plattformen an?
Wir haben vor allem unsere eigenen Angebote von TUI Blue, TUI Magic Life, RIU oder Robinson im Programm. Diese spielen eine besondere Rolle, weil sie natürlich bessere Margen erzielen. Dazu kommen aber auch Fremdhäuser, die ebenfalls sehr wichtig sind. Wir bauen auch mit ihnen unsere Marke auf – und liefern den Hotels im Gegenzug einen großen Mehrwert, wenn sie auf unserer Plattform sind. Wir organisieren zukünftig für sie zum Beispiel Services wie Preisempfehlungen oder die gezielte Buchbarkeit spezieller Zimmer, etwa mit Meerblick oder in der Nähe des Pools. Auf diese Weise können unsere Partner ihre Produkte viel besser vermarkten.
Haben sich Ihre ersten Erwartungen an die Future Markets erfüllt? Und wie soll es weitergehen?
In den fünf Ländern hatten wir im abgelaufenen Tourismusjahr rund 250.000 Kunden. Bis zum Jahr 2022 sollen es eine Million Gäste werden – und das Ziel erreichen wir sogar eher. Wir wollen weiterhin ein starkes Wachstum, und das werden wir auch schaffen. In Zukunft werden wir zudem nicht nur Hotels, sondern auch Flüge, Transfers und Aktivitäten anbieten. Auf diese Weise werden wir es den Touristen aus immer mehr Quellmärkten ermöglichen, bei uns den kompletten Urlaub zu buchen.
»Mit einer Million zusätzlichen Kunden aus den Future Markets können wir Skaleneffekte erzeugen und das Ecosystem von TUI erweitern.«
Birgit Conix, Mitglied des Vorstands, CFO