Menschen demonstrieren auf den Straßen, die Politik entwirft in Windeseile neue Gesetze, die Welt spricht über den Klimawandel. Auch für die Tourismusbranche ist das Engagement für mehr Nachhaltigkeit keine Kür, sondern eine Pflichtaufgabe: Wenn Urlauber per Flugzeug oder Schiff enorme Strecken zurücklegen, mit Speisen und Getränken versorgt werden, ihre Wäsche gewaschen bekommen oder Ausflüge machen, verbrauchen sie jede Menge Energie und andere Ressourcen.

Weltweit werden jährlich rund 300 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Die Vorteile des Materials helfen unter Umständen sogar dabei, den CO2-Fußabdruck zu verringern: Es ist beständig, leicht und flexibel. Allzu schnell verkehren sich diese positiven Eigenschaften allerdings ins Gegenteil: Plastik verrottet nicht – und gelangt als achtlos entsorgter Müll zum Beispiel in unsere Flüsse und Ozeane.

Ein wichtiges Thema in der öffentlichen Diskussion ist Plastikmüll, der über Flüsse in die Ozeane gelangt – und sich heute als Mikropartikel in allen Teilen unserer Nahrungs­kette wiederfindet. Das liegt auch daran, dass Recycling und Müllentsorgung in vielen Ländern noch nicht gelingen, dass viele Menschen ihren Müll achtlos wegwerfen. Der weltweite Tourismus ist aber nicht nur Teil des Problems – er nimmt vielerorts auch Schaden, etwa wenn das Urlaubserlebnis durch verschmutze Strände leidet. Dazu kommt der immer stärker werdende Wunsch der Reisenden nach nachhaltigen Ferien, was den Druck auf die Tourismusanbieter erhöht. TUI hat sich deswegen schon vor Jahren dafür entschieden, insbesondere den Einsatz von Einwegplastik im gesamten Konzern zu reduzieren. Wie das funktioniert und wo die ersten Erfolge zu verzeichnen sind, erzählt Melvin Mak, Manager Sustainability TUI Benelux.

Herr Mak, wann hat das Thema Plastikabfälle für TUI Fahrt aufgenommen?

Wir reduzieren schon seit Jahren die Abfallmenge, die wir und unsere Urlauber verursachen. Dazu gehören natürlich auch Kunststoffe. In den vergangenen Jahren ist die weltweite Herausforderung durch Plastikmüll jedoch immer mehr in den Vordergrund gerückt. Die Welt erkennt viel mehr, dass der Zustand unserer Ozeane entscheidend für die Zukunft unseres Planeten und auch für unsere eigene Gesundheit ist. Es gibt weltweit großartige Initiativen und trotzdem werden heute immer noch nur 15 Prozent der Kunststoffe recycelt – acht Millionen Tonnen wiederum landen jährlich in den Weltmeeren.

Wie reagieren Sie darauf?

Wir haben uns in den Bereichen Kreuzfahrten, Hotels und Airlines auf den Weg gemacht, Plastikprodukte entweder komplett zu vermeiden und durch andere Materialien zu ersetzen oder ihren Einsatz zumindest stark zu reduzieren. Dabei gehen wir in Europa der Gesetzgebung voraus. Eine neue Richtlinie der EU, die bis 2021 in Kraft treten soll, verbietet den Einsatz zahlreicher Einwegartikel. Wir haben aber schon 2018 konzernweite Programme dafür gestartet und Ende September 2019 den International Tourism Plastic Pledge unterzeichnet, eine Selbstverpflichtung, zu der sich mehrere Unternehmen aus der Branche zusammengeschlossen haben.

Werden wir konkret: Die meiste Zeit des Urlaubs verbringen Ihre Kunden in Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen.

Allein 2019 haben 10,3 Millionen TUI-Kunden in Hotels übernachtet, die mit einem extern anerkannten Nachhaltigkeitsstandard zertifiziert sind. 80 Prozent unserer eigenen TUI-Hotels haben Nachhaltigkeitszertifikate. Zu unseren Bemühungen zählt dabei auch der Umgang mit Kunststoff. Wir haben Guide­lines für unsere Hotels entwickelt, die einzigartig in der Branche sind und für jeden Hotelbereich Alternativempfehlungen anstelle von Einwegplastik enthalten – von den Zimmern über die Küche bis zu den Restaurants. Das Umweltprogramm der UN nutzt nun unsere Guide­lines für Trainingszwecke.

Mit TUI Cruises haben wir schon jetzt die modernste und umwelteffizienteste Kreuzfahrtflotte weltweit. Dem Thema Plastik begegnen wir auf unseren Schiffen mit „Wasteless“, einem konsequenten Reduktionsprogramm. Bis 2020 wollen wir Plastikeinwegartikel größtenteils vermeiden oder sie durch umweltfreundliche Alternativen ersetzen. Dafür haben wir uns angeschaut, welche Produkte sowohl an Land als auch an Bord genutzt werden, vor allem in den Kabinen und in der Gastronomie, aber auch in der Logistik.


»Wir reduzieren schon seit Jahren den Abfall, den wir und unsere Urlauber verursachen. Die vergangenen zwei Jahre haben aber eine ganz andere Dynamik erzeugt.«

Melvin Mak, Manager Sustainability, TUI Benelux


Die Tourismusbranche muss Verantwortung übernehmen – und vorbeugen: Die meisten Massenartikel lassen sich durch biologisch abbaubare Alternativen ersetzen oder reduzieren.

Können Sie einige Beispiele nennen?

Wir haben in den Bars und Restaurants schon 2016 angefangen, Strohhalme nur auf Nachfrage herauszugegeben. Nun haben wir diese durch natürliche Materialien ersetzt. Wir sparen flottenweit auch 1,5 Millionen Rührer pro Jahr, an deren Stelle wir Holzstäbchen nutzen, ca. fünf Millionen Cocktailspieße, 380.000 kleine Flaschen bei den Pflegeprodukten und 51.100 Tüten für bestellte Zeitungen an der Kabinentür. TUI Cruises unterstützt außerdem ein innovatives Projekt in Indonesien. Die Menschen dort, man kann es nicht anders sagen, werden von einer Flut von Plastikmüll aus dem Meer überrollt. Das Projekt soll einerseits helfen, dass die Menschen ihr eigenes Müllverhalten überdenken, dabei andererseits aber auch die lokale Müllvermeidung und das Recycling ausbauen.

Gibt es auch Gründe, die gegen eine Reduktion von Plastik sprechen?

An manchen Stellen ist das aus hygienischen oder sicherheitsrelevanten Gründen wirklich schwierig. In der Küche beispielsweise bleiben Lebensmittel oft viel länger frisch, wenn wir sie mit Kunststofffolien abdecken. Wir dürfen schließlich nicht vergessen, dass wir keine Lebensmittel verschwenden wollen – auch das ist ja eines unserer Nachhaltigkeitsziele. Deswegen müssen wir dort noch bessere Alternativen finden, wie Bio-Kunststoffe, Mehrwegsysteme, effizientere Verpackungen oder Dosier- und Nachfüllsysteme. In den Flugzeugen müssen wir ebenfalls genau nachdenken: Plastik ist oft leichter als die Alternativen – und das Gewicht ist ein großes Thema, weil mit jedem zusätzlichen Kilogramm der Kerosinverbrauch steigt. Wir suchen trotzdem nach Lösungen. Auch hier haben wir Strohhalme und Plastikrührstäbe abgeschafft, die ausgegebenen Decken sind nicht mehr in Plastikfolie, sondern eine Papiermanschette gewickelt.

Knapp 300.000 Tonnen Abfall schwimmen Schätzungen zufolge in unseren Ozeanen. Die vielerorts fehlenden Strukturen für Müllentsorgung und Recycling zählen zu den Ursachen.

TUI ist in 115 Destinationen aktiv, gibt es dabei Unterschiede?

In Großbritannien, Deutschland und den Nordischen Ländern ist das Bewusstsein sehr hoch, Recycling seit Jahrzehnten normal. In manchen Zielgebieten gibt es dagegen weder eine funktionierende Mülltrennung noch Recycling – unsere Urlauber erwarten aber immer mehr, dass auch dort vernünftig mit der Umwelt umgegangen wird. Mehr als die Hälfte unserer Gäste wollen, dass wir in ökologische oder soziale Initiativen investieren.

Versuchen Sie die Situation in diesen Ländern ins Positive zu wenden?

Der Tourismus ist oft eine der wichtigsten Einnahmequellen und sorgt so für mehr Wohlstand und eine weitere Entwicklung. Die Urlauber nehmen ebenfalls Einfluss, allein dadurch, dass sie bestimmte Dinge einfordern – vom Verzicht auf Plastik über regionale Küche bis hin zur Mülltrennung und zum Recycling. TUI arbeitet deshalb oft mit den Gemeinden zusammen, in denen unsere Hotels liegen. Wir organisieren Workshops zum Thema Recycling, gehen mit gutem Beispiel vo­ran – und helfen so, die Infrastruktur zu verbessern und damit auch den Urlaub immer nachhaltiger zu gestalten. Auf Curaçao etwa hat die TUI Care Foundation ein Umweltbildungsprogramm für 120 Lehramtsstudierende gestartet. Sie sollen Grundschulkinder anleiten, wie sie sich für Abfallreduzierung und Recycling einsetzen können.

Zum Abschluss, Herr Mak: Was bedeutet das in Zahlen?

Bis heute haben wir schon auf 140 Millionen Teile aus Einwegplastik verzichtet – diese Zahl wollen wir bis Ende 2020 auf 250 Millionen steigern. Wir sind pausenlos auf der Suche nach Möglichkeiten, Plastik auf unserer gesamten Wertschöpfungskette abzuschaffen. Auch unsere eigenen Büros haben Initiativen gestartet. Diese sind zwar oft kleiner als in Hotels oder Fluggesellschaften, aber wir haben beispielsweise in unseren niederländischen und belgischen Büros im letzten Jahr über 800.000 Plastikteile und -verpackungen eliminiert. Ich bin sicher, dass es in den kommenden Jahren noch viele solcher Initiativen geben wird und wir Schritt für Schritt komplett plastikfrei werden.

»Plastik reduzieren und Abfall vermeiden – das hat einen festen Platz bei Geschäftsentscheidungen in unseren Märkten.«

Elie Bruyninckx, Mitglied des Group Executive Committee, CEO Region West