Wir haben uns mit Marianne Stjernvall getroffen. Sie ist neuer CRO Lead bei TUI Nordics und hat uns erzählt, was CRO ist und wie es dazu beitragen kann, Webseitenbesucher zu Kunden zu machen. Marianne erläuterte auch, weshalb sie der Auffassung ist, dass sich die Tech-Szene ideal für Frauen eignet, die Führungsaufgaben übernehmen wollen.
Marianne, Sie sind der neue CRO Lead bei TUI Nordic. Wofür steht CRO?
CRO ist die englische Abkürzung für „Conversion Rate Optimization“, d.h. die Optimierung von Konversionsraten. Dabei geht es hauptsächlich einfach darum, Webseitenbesucher zu Kunden zu machen. Dafür führen wir Datenanalysen durch und kombinieren sie mit Aspekten der Web-Psychologie. Wir untersuchen zum Beispiel das Besucherverhalten auf der Webseite, um das Nutzerverständnis zu verbessern.
Dank dieser Kenntnis des Nutzers können wir dann neue Ideen für weitere Verbesserungen entwickeln. Wir alle wollen Probleme beseitigen, die den Webseitenbesucher daran hindern könnten, das zu tun, was er vorhatte. Mit Hilfe von A/B-Tests vergleichen wir, welche Variante einer Seite eine höhere Konversionsrate erzeugt. Dabei geht es uns darum, eine bessere Benutzererfahrung zu schaffen, die der ursprünglichen Suchintention des Nutzers entspricht, die ihn überhaupt auf unsere Seite geführt hat.
Können Sie Beispiele für die Förderung des Geschäfts durch CRO nennen?
Unsere Tests können zu drei unterschiedlichen Ergebnissen führen. Entweder ist der Test erfolgreich – was bedeutet, dass unsere Hypothese zutrifft und wir die Seite weiterhin in die entsprechende Richtung entwickeln können. Möglich ist auch, dass sich keine Unterschiede zwischen den beiden getesteten Varianten der Seite ergeben. Die dritte Möglichkeit ist, dass die Kontrollversion der Webseite schlechter performt als die bestehende Webseite, was ebenfalls ein interessantes Ergebnis ist. Wir können also die Daten lesen und verstehen, warum es zu diesem Ergebnis gekommen ist. Durch diese einfachen und schnellen Lösungen sparen wir zugleich unserem Entwickler-Team Zeit – so dass die Entwickler weiterhin an den Dingen arbeiten können, die nachgewiesenermaßen funktionieren.
Ein Beispiel dafür sind die „Leistungsversprechen“, die wir auf unsere Startseite aufgenommen haben. Wir wollten den Nutzern anhand einer Reihe von Alleinstellungsmerkmalen beschreiben, was an TUI so großartig ist. Diese relativ einfache Änderung resultierte in einem Umsatzwachstum von mehr als 10 Prozent.
Beschreiben Sie doch bitte einmal einen normalen Tag im Büro von TUI Nordics.
An einem normalen Tag überprüfe ich die Tests, die wir aktuell durchführen. Wir müssen imstande sein, schnell zu handeln, und es ist wichtig, die Ergebnisse jederzeit nachzuverfolgen. Gewöhnlich muss ich mich mit der Organisation abstimmen - mit Produktverantwortlichen, Web-Teams und Stakeholdern. Da CRO wie ein kleines, agiles Unternehmen ist, müssen stets irgendwelche Gespräche geführt und rasche Entscheidungen getroffen werden. Daher bin ich den Großteil des Tages unterwegs. Ich versuche, etwas Zeit mit jedem unserer Web-Teams zu ergattern, indem ich mich einfach in ihrer Nähe aufhalte und dort arbeite. Wenn ich nicht unterwegs bin, finden Sie mich wahrscheinlich an einem Stehpult, das zum zentralen Treffpunkt für viele meiner engsten Mitarbeiter geworden ist. Dadurch können wir gleich kommunizieren, wenn es nötig ist. Als Team Lead muss man imstande sein, solche technischen Gespräche zu führen und bei allen Maßnahmen stets das Geschäft in den Mittelpunkt zu stellen.
In einer führenden Funktion müssen Sie ja ein Team leiten. Was bedeutet gute Führung für Sie?
Gute Führung bedeutet, klare Vorgaben für sein Team zu formulieren und sich zugleich auf das Fachwissen jedes einzelnen zu verlassen. Aufgabe der Führungskraft ist es, die Vision zu erklären und das Ziel für das Team vorzugeben. Dann liegt es an dem Team, den bestmöglichen Weg zur Realisierung dieses Ziels zu finden. Ich glaube, auf diese Weise bringt man seine Mitarbeiter dazu, das Beste aus sich herauszuholen, und spricht auch ihre stärksten Kompetenzbereiche an. Wenn man das weiß, versteht man auch besser, wie das Team durch weitere Kenntnisse und zusätzliche Schulungen wachsen kann. Gute Führung beinhaltet auch die Schaffung eines sicheren, maßgeblich von Vertrauen und Kommunikation geprägten Umfelds. Dies lässt sich durch die Festlegung von Prozessen erreichen, die auch transparente Gespräche ermöglichen.
Vor kurzem wurden Sie in das Spader Ess-Programm zur Förderung weiblicher Führungskräfte aufgenommen. Wie bringen wir mehr Frauen in Führungsrollen?
Ich glaube, dass der Tech-Bereich optimal für weibliche Führungskräfte ist. In puncto Organisation und strukturiertem Vorgehen haben viele Frauen Kompetenzen, die ihnen einen echten Startvorteil verleihen. Das ist äußerst willkommen und notwendig, insbesondere bei führenden Entwicklern, bei denen das logische Vorgehen gewöhnlich am stärksten ausgeprägt ist. Mittlerweile gibt es eigene Programme speziell für Frauen, die Codieren lernen wollen, und eine steigende Zahl weiblicher Informatikstudentinnen. Ich habe keinerlei Zweifel, dass die Zahl weiblicher Führungskräfte im Tech-Bereich in den nächsten Jahren erheblich zunehmen wird.
Ihr Einsatzort ist im TUI Nordics Büro in Stockholm. Gelegentlich hört man, dass TUI im Tech-Bereich in den nordischen Ländern bereits sehr weit fortgeschritten ist. Wie sehen Sie das?
Dem stimme ich auf jeden Fall zu. Wir haben in viele Fachfunktionen investiert, und es ist absolut unverzichtbar, dieses breite und tiefgehende Fachwissen im eigenen Haus zu haben. Die TUI-Mentalität ist eine Kultur des Ausprobierens und Lernens und umfasst eine schnelle Anpassungsfähigkeit. Die digitale Gesellschaft in den nordischen Ländern ändert sich rasch und entwickelt sich zügig weiter – daher sind Zweijahresprogramme nicht mehr zeitgemäß. Denn dann sind die Programme schon völlig veraltet, ehe wir zur Umsetzung bereit sind. Wir bündeln auch viele Daten, weil dies aus unserer Sicht die Grundlage dafür bildet, den Wandel und die Möglichkeiten auf neuen, höheren Ebenen anpassen zu können. Dadurch erschließen sich fantastische Technologien wie Automatisierung und Machine Learning. Auch andere Unternehmen sollen sich ja mit CRO befassen und versuchen, diese Bemühungen auszuweiten, aber meines Wissens ist kein anderer Akteur in den nordischen Ländern so weit fortgeschritten wie wir. Hier sind wir führend.
Wie Sie ausgeführt haben, ist CRO eine relativ neue Wissenschaft, und bislang haben nur wenige Unternehmen diese Funktion entwickelt. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?
Bei einer neuen Wissenschaft kann man kaum ein komplettes Team sofort aus dem Nichts zaubern. Es kostet Zeit, das Wissen aufzubauen und weitere Experten in den Bereich CRO zu bringen. Es ist besonders schwierig, weil CRO eine Funktion ist, die zahlreiche andere Aufgaben beinhaltet: Analyse, Nutzererlebnis-orientiertes Design (UX Design), Entwicklung und Projektmanagement. Häufig wird man zu einem CRO-Experten, der sich besonders auf eine oder mehrerer dieser Aufgaben fokussiert – aber wir brauchen CROs mit fundierten Rundum-Kenntnissen, um andere führen und weiterbilden zu können. Ich selbst versuche, möglichst häufig Vorträge in Schulen und bei Veranstaltungen zu halten, um das Wissen weiterzugeben – damit sich mehr Leute dafür interessieren, CRO-Experten zu werden.
Abschließend noch eine letzte Frage: Was ist Ihr Lieblings-Urlaubsziel und warum?
In diesem Sommer war ich vier Wochen in Los Angeles in Kalifornien, und es war wirklich eine unglaublich spannende Reise, bei der ich unglaublich viel gelernt habe. Die Menschen, die man trifft, interessieren sich außerordentlich für Geschichten aus den Nordischen Ländern und sind so einladend und gastfreundlich. Es war ein großartiger kultureller Austausch. Und das Essen ist fantastisch!