Sein Blog heißt „Alex extrem“, weil sich der Meteorologe Alexander Hildebrand vor allem für turbulente Wetterereignisse begeistert. Wenn er mit der HANSEATIC inspiration in die Antarktis reist, kann er erklären, warum die Drake Passage herausfordernd sein kann, in welcher Höhe sich die Wetter über dem Kontinent formen und warum die Luft so besonders ist.
Lieber Alexander Hildebrand, Ihr Blog heißt „Alex extrem“, denn die Erdatmosphäre fasziniert Sie „unwetterartig und turbulent“ am meisten. Wenn Sie im Dezember an Bord unserer HANSEATIC inspiration gehen für eine Reise in die Antarktis, wünschen Sie sich dann vielleicht doch ruhige See für die Drake Passage?
Alexander Hildebrand: Eine Überquerung der Drake Passage, um von Südamerika zur Antarktischen Halbinsel zu reisen, gehört zum großen Abenteuer einer Antarktis-Expedition. So bin ich innerlich auf ruhige See und auf Sturm vorbereitet. An ruhigen Seetagen ist die Stimmung an Deck im Vergleich zu Sturmtagen aber verständlicherweise etwas besser. Das freut mich dann auch, wobei ich zum Glück seefest bin.
Können Sie unseren Leserinnen und Lesern erklären, warum die Drake Passage so ein eigenwilliger Seeweg ist?
Die Drake Passage liegt in der Westwindzone, die sich wie ein Gürtel rund um die Antarktis spannt. Sie liegt zwischen dem südlichen Polarkreis und etwa dem 50. südlichen Breitenkreis. In dieser Region wandern Tiefdruckgebiete mit großer Regelmäßigkeit von West nach Ost. Sie sorgen für rasch wechselndes Wetter und häufige Sturmlagen. Durch die exponierte Lage zwischen Kap Hoorn und der Antarktischen Halbinsel haben die Stürme dort freie Bahn und so ist eine ruhige See in der Drake Passage eher die Ausnahme als die Regel.
Als Kontinent hat die Antarktis eine enorme, eigentlich kaum vorstellbare Größe – sie ist um etwa 30 Prozent größer als Europa. Was wissen wir über das Klima der Antarktis?
In der Mitte der Antarktis ist das Eis mehrere Kilometer dick. Deshalb herrscht oben im Inneren der Antarktis ein viel kälteres Klima als unten auf Meereshöhe, das ist ähnlich wie in unseren Alpen. Während im Inneren der Antarktis im Sommer Durchschnittstemperaturen um minus 30 Grad Celsius herrschen, sorgt der Sommer rund um die Antarktische Halbinsel für milde 0 Grad. Dort eignet sich das Klima für Expeditionen.
Welche Relevanz hat das Klima der Antarktis für uns alle?
Für die Menschheit ist ein stabiles Klima auf dem Kontinent wichtig, denn sein Eispanzer ist der größte Süßwasserspeicher der Erde. Wir wollen das gespeicherte Wasser zwar nicht trinken, aber eine Erwärmung der Antarktis hat bereits zum Abschmelzen großer Eismassen geführt. Satellitenmessungen zeigen, dass der Meeresspiegel dadurch bereits gestiegen ist. Es liegt dort allerdings noch sehr, sehr viel Eis, und die gefrorene, weiße Welt bestaunen wir ja vor Ort auch ganz intensiv. Aber wir Experten sprechen in unseren Vorträgen an Bord dann auch die Wahrheit an – nämlich, dass sich beim Klima der Antarktis schon viel verändert hat.
Welche Veränderungen werden wir in den nächsten Jahren bei unseren Reisen in die Antarktis sehen?
Die größten Veränderungen sind sicher bei der Ausdehnung der Gletscher und des Schelfeises zu erwarten. Sogar die Gletscher in den Buchten, die wir in Südgeorgien besuchen, sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Darauf hat mich beim letzten Mal der Expeditionsleiter hingewiesen, der noch viel länger in die Region fährt als ich. Für meine bevorstehende Reise habe ich dafür interessante Daten und anschauliche Grafiken vorbereitet, die ich den Gästen zeigen werde. Bei einem einzelnen Besuch die Klimaveränderungen zu sehen, ist kaum möglich, aber dafür sind wir Experten ja an Bord. Wir schauen Datenreihen an, bis eine Geschichte aufploppt, die wir den Teilnehmenden der Expedition erzählen können.
Faszinierend in der Antarktis ist eine unendliche Weite, die durch tief liegende Wolken besonders eindrücklich ist. Das ganze Wettergeschehen in der Antarktis spielt sich in einer Höhe von etwa acht Kilometern ab, in unseren Breiten sind es etwa 13 Kilometer. Ich weise auch gerne auf die Tatsache hin, dass man in der Antarktis von Wassermolekülen in allen drei Aggregatzuständen umgeben ist. Wasserdampf ist unsichtbar und überall, das flüssige Wasser im Meer umgibt das Schiff, und Wasser in seiner festen Form schwimmt als Eisscholle herum oder liegt als Gletscher auf dem gefrorenen Kontinent.
Die Expeditionsreisen mit den Schiffen von Hapag-Lloyd Cruises führen an einzelne Küstenabschnitte der Antarktischen Halbinsel. Da sind einige arktische Phänomene erlebbar, etwa die katabatischen Winde. Welche meteorologischen Besonderheiten werden Sie unseren Gästen erläutern?
„Katabatisch“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Abstieg“. Diese kalten Winde mit abwärtsgerichteter Bewegungskomponente entstehen oft plötzlich und wehen aus der Antarktis heraus mit hohen Geschwindigkeiten an die Küste. Ihre warme Entsprechung ist der berüchtigte Föhn in den Alpen.
Ihre Reise mit der HANSEATIC inspiration führt auch ins Weddellmeer, eines der Randmeere der Antarktis, von dem aus sich immer wieder gewaltige Tafeleisberge lösen. Was bedeutet es für Sie, eine solche Region zu erleben?
An Land arbeite ich ja als Meteorologe für eine große Wetterfirma und für Fernsehsender. Als sich 2017 der berühmte Eisberg A-68 aus dem Larsen-Eisschelf gelöst hat und durch das Weddellmeer nordwärts trieb, habe ich das mit Hilfe von Satellitenbildern den Fernsehzuschauern erläutert. Für mich ist es besonders spannend, weitere Tafeleisberge vor Ort im Weddellmeer zu sehen, zu analysieren und zu erklären. Mein Beruf an Land und meine Experteneinsätze für Hapag-Lloyd Cruises ergänzen sich also optimal.
Diese ist ja nicht Ihre erste Expedtionsreise in die Antarktis. Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich auf die klare Luft! Weil die Antarktis durch die Westwindzone isoliert ist, kommen dort kaum Aerosole an, die in der Atmosphäre für die Bildung von Wassertröpfchen benötigt werden. Somit gibt es in der Antarktis wenig Dunst und keine sichtbaren Verunreinigungen der Atmosphäre. Bei sonnigem Wetter ist der Himmel dann tiefblau, ein faszinierender Anblick!
Fotos: Roberts Johansons, Marco Ferchl, Archiv, privat, Interview: Dirk Lehmann