Hinter Ihnen liegt Ihr erstes Geschäftsjahr als CEO. Ist TUI wieder auf Kurs?
Ein klares Ja. Im Geschäftsjahr 2023 sind 19 Millionen Gäste mit der TUI verreist. Das sind 13 Prozent mehr als im letzten Jahr. Wir hatten einen starken Sommer und die gute Buchungsdynamik hat sich auch in den ersten Wochen des Winters 2023/24 fortgesetzt. Wir arbeiten wieder profitabel, die Staatskredite sind zurückgezahlt. Dies ermöglicht uns, auch wieder selbst in Wachstum zu investieren. Auch für das neue Geschäftsjahr bin ich zuversichtlich. Trotz konjunktureller Wolken genießt Urlaub bei den Menschen eine sehr hohe Priorität. Wir haben eine klare Wachstumsstrategie. In angestammten Märkten verbessern wir unsere Marktposition. Dazu wollen wir bestehenden Kunden neue Produkte anbieten und generell neue Kunden gewinnen.
Wie sehen Sie die Chancen in dem klassischen TUI Geschäftsbereich Markets & Airlines?
Unsere Reiseveranstalter wachsen profitabel. In Deutschland haben wir Marktanteile gewonnen, auch in Frankreich oder den Niederlanden sind wir stark unterwegs. In Märkten mit starker Konkurrenzsituation wie UK & I treten wir zunehmend selbstbewusst auf. Hier wollen wir punkten und unsere Kunden positiv überraschen. Einzelne Märkte bereiten uns besonders viel Freude. Ein Beispiel dafür ist Polen, wo wir im vergangenen Jahr erstmals eine Million Kunden zählen konnten. Die polnischen Kolleginnen und Kollegen haben nun auch das Geschäft in der Tschechischen Republik gestartet.
Wie reagiert TUI auf neue Kundenansprüche?
Es kann doch nur ein Ziel geben: Die Wünsche unserer Gäste zu übertreffen. Das ist unser Anspruch und gelingt zunehmend auch mit neuen Geschäftsmodellen. First Choice, unsere Zweitmarke in Großbritannien, richtet sich gezielt an junge Menschen. Wir bauen First Choice zu einer internet- und app-basierten Plattform um, auf der unsere Kunden ihre Reisen selbst zusammenstellen können. Oder unser Rundreisen Angebot in Belgien: Mit TUI Tours können Kunden flexibel Reiserouten wählen und sie dann per Mausklick anpassen, oder mit Flügen, Unterkünften oder Erlebnissen kombinieren. Ein drittes Beispiel sind reine Hotelübernachtungen. Nach einem erfolgreichen Start in Schweden haben wir das Konzept auf weitere Märkte ausgedehnt. Diese Beispiele stehen für unsere Innovationskraft. Wir trauen uns, Neues auszuprobieren. Das ist ein unglaublicher Vorteil und sagt viel darüber aus, wie wir voneinander lernen und uns gegenseitig antreiben.
Wie bewerten Sie die Perspektiven insbesondere im Hotelbereich des zweiten großen Geschäftsbereichs Holiday Experiences?
Unsere Hotels und Resorts haben in nunmehr sechs Quartalen in Folge hervorragende Ergebnisse erwirtschaftet. Hier sehen wir weiter starkes Wachstumspotenzial. Was uns dabei wichtig ist: Wir wollen auf Dauer Wachstum erzielen und zugleich kapitalschonend investieren. Dabei helfen neue Finanzierungsmodelle wie der Hotelfonds, den wir gemeinsam mit Partnern aufgelegt haben. Der Fonds hat in diesem Jahr die ersten Transaktionen durchgeführt. Auch bei TUI Blue stehen die Zeichen auf Wachstum mit fünf neuen Hotels in Afrika und Asien in diesem Sommer, 2024 werden sieben weitere dazukommen. Insgesamt sorgt unser starkes Portfolio mit insgesamt 12 Hotelmarken – für den preisbewussten Kunden bis hin zum Luxusurlauber – für Wachstum über Management- und Franchiseverträge.
Bei Kreuzfahrten wurde nach der Pandemie mit einer etwas langsameren Erholung gerechnet …
… und dieser Bereich ist dann sehr schnell zur Normalität zurückgekehrt. Das Segment hatte erstmals seit Ausbruch der Pandemie wieder ein starkes Jahr. Die Mein Schiff-Flotte der TUI Cruises ist 2023 mit einem Buchungsrekord gestartet, manche Reisen waren in wenigen Tagen ausgebucht. Weiteres Wachstum ist vorprogrammiert, so stoßen in den kommenden drei Jahren drei werftneue Schiffe zu TUI Cruises. Sie setzen neue Maßstäbe bei Komfort und Umweltschutz. Damit unterstreichen wir unsere Ambitionen als eine der modernsten und umweltfreundlichsten Kreuzfahrtflotten weltweit.
Und wie sieht es bei Musement aus?
Bei Erlebnissen & Aktivitäten setzen wir unser profitables Wachstum fort. Im letzten Jahr konnten wir eine Million Neukunden erreichen und vermittelten über sieben Millionen Erlebnisse, ob Wanderungen, Sportaktivitäten oder der Besuch von Freizeitparks. Wir fokussieren uns zunehmend auf exklusive eigene Inhalte. Den Vertrieb verstärken wir über Partnerschaften. TUI Musement soll für unsere Kunden der persönliche Guide und Concierge über das gesamte Jahr werden, nicht nur während des Sommerurlaubs.
Das heißt, Sie wollen den TUI Kunden zusätzliche Angebote machen?
Richtig. Im Fokus steht dabei das Central Customer Ecosystem, unser zentrales Kunden-Ökosystem, mit dem wir neue und individuellere Angebote machen. Neue Produkte an bestehende Kunden verkaufen und zusätzlich neue Kunden gewinnen, so lautet die Devise. Weltweit gibt es wohl kein zweites Unternehmen, das im Reisemarkt auch nur annähernd so vielschichtige Kundenkontakte hat wie wir – nicht nur online, sondern persönlich im Reisebüro, in unseren Hotels und Flugzeugen ebenso wie auf unseren Schiffen und bei Erlebnissen. Das Potenzial werden wir stärker heben und dabei noch nachhaltiger arbeiten.
Stichwort Nachhaltigkeit: Wie gestaltet TUI in dieser Hinsicht die Zukunft?
Vorab: Reiseunternehmen, die den Klimawandel ignorieren und sich nicht nachhaltig ausrichten, untergraben ihr eigenes Geschäftsmodell und legen nachwachsenden Generationen eine schwere Bürde auf. Wir gehen da anders vor. Im Januar 2023 haben wir unsere neue Nachhaltigkeitsagenda vorgestellt – sie ist ehrgeizig. Bis 2030 werden wir die CO2 e-Emissionen pro Flugpassagier annähernd um ein Viertel verringern. Im Kreuzfahrtbereich werden sie absolut um knapp 28 Prozent, in unseren Hotels um mindestens 46 Prozent sinken. Die in der Agenda enthaltenen Emissionsreduktionsziele wurden von der „Science Based Targets initiative“ unabhängig geprüft und verifiziert. Unsere Kreuzfahrtgesellschaften sind die ersten weltweit, die ein wissenschaftlich validiertes Reduktionsziel verfolgen, genauso wie TUI Airlines unter den Ferienfluggesellschaften. Spätestens 2050 wird TUI ein Net-Zero-Emissions-Unternehmen sein. Wir haben das Ziel jeden Tag vor Augen und verändern jeden Tag ein bisschen, um dem Ziel näher zu kommen. Unsere internen Ziele sind natürlich noch ambitionierter. Allerdings muss ich auch sagen, dass uns die Politik dabei nicht ständig Belastungen auferlegen darf.
Was meinen Sie genau?
Reisen wird von manchen Politikern gebrandmarkt. Das Fliegen wird verteufelt, Kreuzfahrten ebenso. Urlauber und Unternehmen werden mit überbordenden Verboten und Regelungen überzogen. Die Pauschalreise – zweifelsfrei die sicherste Reiseform – wird durch Auflagen gezielt verteuert, während nicht-europäische Konzerne weitestgehend unreguliert Produkte vertreiben können, die wenig verbraucherfreundlich sind. Gleichzeitig macht der Staat seine Hausaufgaben nicht: Die Bahn als Zubringer für Reisen ist unpünktlich – wir müssen dann für Verspätungen entschädigen. Und viele Flieger sind das auch, weil es immer noch keine einheitliche europäische Flugsicherung gibt, die konsequent die klimaschonendsten Flugrouten und -verfahren ermöglicht. Täte sie das, wären die CO2-Emissionen im europäischen Luftraum schätzungsweise um fünf bis zehn Prozent niedriger. Da passiert einfach zu wenig! Gleichzeitig wird oft ausgeblendet, dass wir längst massiv in Umweltschutztechnologien investieren.
Wie sehen konkrete Klimaschutzmaßnahmen aus?
Bei den Airlines werden wir perspektivisch deutlich mehr nachhaltige Flugtreibstoffe – das so genannte SAF – tanken, sogar über die gesetzlich verankerten Beimischungspflichten hinaus, auch wenn es aktuell gegenüber fossilen Treibstoffen drei- bis fünfmal teurer ist. Zudem setzen wir auf optimierte Flugrouten und auf die Erneuerung unserer Flotte. Auch bei den Kreuzfahrtschiffen passiert viel. Im Mai hat die Mein Schiff 4 erstmals umweltfreundlichen Landstrom am Hamburger Hafen bezogen. Zwei Monate später konnte das Schiff erstmals mit nachhaltigem Biokraftstoff zur Nordlandreise starten. Basis sind hauptsächlich Speiseölreste – die CO2-Emissionen sinken dadurch um 90 Prozent. Die Mein Schiff 7, die im Sommer in See stechen wird, kann perspektivisch mit grünem Methanol fahren, also nahezu CO2-neutral. Und die beiden weiteren Neubauten werden wir mit emissionsärmerem Flüssiggas betreiben. Auch bei unseren Hotels gehören wir zu den Vorreitern, so betreibt etwa Robinson Club in Italien eine der größten Hotel-Photovoltaik-Anlagen in Europa. Und das TUI Blue Montafon ist seit November 2023 das erste unserer Hotels, das seine CO2-Emissionen auf null reduziert hat. Wir reduzieren also massiv Emissionen bei unseren Angeboten. Ergänzend stärken wir Reiseformen mit weniger Emissionen und bauen unser Bahnangebot deutlich aus. So ist im vergangenen Winter der TUI SkiExpress gestartet, der Gäste von den Niederlanden und Deutschland nach Österreich befördert.
Abseits der ökologischen Dimension: Inwieweit kann Tourismus auch Motor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in den Reiseländern sein?
Die Reisebranche eröffnet Menschen in den Destinationen Bildungs- und Berufsperspektiven und stärkt Umwelt- und Sozialstandards. Wir wollen diese positiven Effekte weiter forcieren. Anfang Juni haben wir ein umfangreiches Memorandum of Understanding mit der kapverdischen Regierung unterschrieben. Kernidee: Das immense touristische Potenzial der Kapverden weiterentwickeln und dabei ganz gezielt lokale Wertschöpfungsketten stärken, Umweltschutz fördern und Innovationspartnerschaften vorantreiben. Hier tut die vom Unternehmen ins Leben gerufene, unabhängige TUI Care Foundation sehr viel. Sie setzt sich etwa dafür ein, dass insbesondere junge Menschen in den Destinationen bessere Perspektiven für die Zukunft erhalten. Wir wollen erreichen, dass sie noch stärker am Erfolg des Tourismus partizipieren können. Gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern eröffnet unsere Industrie den Menschen ganz neue Perspektiven. Aber auch in den europäischen Quellmärkten dürfen wir den Bedarf nicht unterschätzen. Die Jugend ist unsere Zukunft, sie müssen wir begleiten und unterstützen.
Perspektiven müssen Sie auch Ihren Mitarbeitenden aufzeigen. Wie steht es darum?
Der Erfolg von TUI steht und fällt mit den Mitarbeitenden. Deren Know-how und Engagement ist von überragender Bedeutung. Das gilt jeden Tag und dafür danke ich allen Kolleginnen und Kollegen weltweit aufs Herzlichste. In schwierigen Situationen fällt deren Professionalität aber ganz besonders auf. Ich denke da besonders an die Juliwochen, als über 300 Service-Mitarbeitende vor Ort bei den Waldbränden auf Rhodos und in den Krisenstäben rund um die Uhr Großartiges geleistet haben. In den Gesprächen vor Ort habe ich ein enormes Verantwortungsgefühl erlebt, das mich berührt hat. Ein echtes Highlight ist auch der neue TUI Campus in Hannover. Das ist ein Ort des Austauschs und des Dialogs geworden, sowohl zwischen den Mitarbeitenden als auch mit Gästen aus aller Welt. Ähnlich sieht es in anderen Büros aus, sei es Rijswijk in den Niederlanden, Luton oder Stockholm, wo wir überall einen neuen „Way of Working“ pflegen. Aber ich glaube, das, was am meisten motiviert: Wir verhelfen Menschen zu den schönsten Momenten des Jahres. Wir tragen dazu bei, dass Menschen die Welt erleben und fremde Kulturen kennenlernen können. Sie bekommen damit ein differenzierteres Bild von entfernten Ländern und Kulturen. Ich bin davon überzeugt: Das kann kein anderer Wirtschaftssektor so gut wie der Tourismus – und das ist heute mit Blick auf die Weltlage wichtiger denn je.
Abschließend der Blick nach vorn: Was sehen Sie?
Tourismus und die TUI haben enormes Potenzial. Wir haben in den letzten zwölf Monaten viel angestoßen, jetzt sehen wir, dass sich dies auch kommerziell auszahlt – wir wachsen profitabel. Natürlich wird es geopolitische Konflikte und Krisen auch in Zukunft geben. Damit müssen wir umgehen. Wir werden hart am Erfolg arbeiten, ohne übermütig zu werden, und haben dabei immer unser Ziel im Blick: Unseren Kunden einzigartige Reisen und Erlebnisse zu bereiten. Dafür steht die TUI – heute wie morgen!