30. Dezember 2024

"Menschen und Marke machen TUI stark"

Herr Ebel, lassen Sie uns zunächst über das vergangene Jahr sprechen. Wie lief es für TUI?

Sehr erfolgreich, in einem anspruchsvollen Marktumfeld, insbesondere wenn wir auf die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schauen – vor allem in Deutschland und in Europa. Das Geschäftsjahr 2024 war für TUI sehr erfolgreich. Wir konnten sowohl beim Umsatz als auch beim Ergebnis eine sehr positive Entwicklung berichten. Unser Ziel bleibt nachhaltiges und profitables Wachstum. Dazu gehört aber auch eine gute Bilanzstruktur. Wir sind unserem Ziel, den Net Leverage auf deutlich unter 1x zu senken, einen großen Schritt nähergekommen. Besonders wichtig ist nach wie vor der Fokus auf den Free Cashflow, den wir für Investitionen und für den Abbau der Verschuldung genutzt haben. Wir investieren gezielt in zukunftsträchtige Bereiche, gleichzeitig stärken wir unsere finanzielle Basis. Das ist im Sinne des Unternehmens, der Aktionärinnen und Aktionäre sowie unserer Mitarbeitenden. Die TUI ist heute deutlich robuster.

Anfang 2024 haben Sie die Transformation des Bereichs Markets + Airline in Angriff genommen. Wohin konkret geht die Reise für diese Säule ihres Geschäfts?

Wir entwickeln unser Veranstaltergeschäft weiter, zu einem vollständig integrierten funktionalen Marktplatz für Urlaubs- und Freizeiterlebnisse. Das ermöglicht uns mehr Skalierbarkeit, mehr Effizienz und mehr Profitabilität, und wir weiten so unsere internationale Präsenz aus. Das ist auch der Schlüssel zu vielen neuen Märkten sowie Kunden und soll die Marge deutlich erhöhen. Deshalb haben wir den Umbau des Geschäfts 2024 gezielt vorangetrieben. David Schelp hat seinen Masterplan vorgelegt und wir sind in der Umsetzung. Insbesondere durch den Aufbau globaler Produktionsplattformen produzieren wir deutlich günstiger. Ein zweiter Baustein der Transformation: Wir bauen eine erweiterte kommerzielle Funktion für unsere Fluggesellschaft TUI Airline auf, um deren Leistung in Zukunft unabhängiger steuern zu können. Die Fluggesellschaft wird dadurch im Konzern gestärkt und kann zusätzliche Kunden erreichen. Und drittens haben wir eine neue Einheit geschaffen, die für die Expansion in attraktive neue Geschäftsfelder und neue Veranstalter-Märkte verantwortlich ist. Mit TUI Polen sind wir sehr erfolgreich und wollen das nun in anderen, neuen Märkten ausbauen, zum Beispiel in Osteuropa, Americas und zukünftig in Asien. Und es geht um Zusatzerlöse rund um die eigentliche Reise, aber auch um Produkte wie TUI River Cruises, TUI Tours, also Rundreisen. Da sehen wir überall viel Potenzial.

Bleibt die Pauschalreise im Fokus?

Pauschalreisen bleiben für unser Veranstalter-Geschäft das strategische Kernprodukt. Sie werden zukünftig nur deutlich flexibler und dynamischer, die Wahlmöglichkeiten und Angebote für die Kunden steigen und machen sie so als Produkt noch attraktiver. Die Pauschalreise – so sehr der Begriff auch in die Jahre gekommen ist – bietet dem Gast deutlichen Mehrwert: Sie bietet Sicherheit, Service, Komfort. Hinzu kommt die hohe Beratungsqualität in den Reisebüros. Das alles ist auch für junge Zielgruppen zunehmend wichtig. Wir sehen da deutliches Potenzial. Darüber hinaus aber wollen wir unseren Kunden eine ganze Palette von Freizeiterlebnissen anbieten. Dafür bauen wir ein skalierbares Modell und richten unsere Produktwelt darauf aus. Diese Transformation ermöglicht es uns, die Chancen im Markt zu erhöhen und gleichzeitig Risiken zu reduzieren. Wir werden effizienter, agiler und schaffen die Grundlage für Wachstum – mit einem starken Fokus auf Vertrieb, Qualität und Service. Wir unterscheiden uns vom Wettbewerb durch unsere eigenen Produkte, also die eigenen Hotelmarken und Kreuzfahrtschiffe. Hier wachsen wir, das bleibt eine strategische Priorität. Die sehr profitablen TUI Hotelgesellschaften und Schiffe profitieren natürlich von der Stärke und Präsenz unserer Veranstalter mit Zugang zu über 20 Millionen Kunden.

Welche Rolle spielt die Marke TUI dabei?

Die Marke TUI ist und bleibt ein sehr starkes Asset – kurz: Menschen & Marke machen TUI stark. Viele sagen der Smile ist ikonisch. Wir wollen über Europa hinaus als Marke so relevant sein wie andere internationale Top Brands. Daher laden wir TUI als Marke emotional auf, etwa im Bereich Sport. Ein Beispiel ist der TUI Palma Marathon. Der Tag war ein großartiges Erlebnis für Tausende Gäste und Millionen virtuelle Zuschauer auf Social Media, und auch für Hunderte von TUI Mitarbeitenden, die an dem Tag mitgelaufen sind. Hier haben wir uns noch einiges vorgenommen. Wir verbinden stärker Marke, Sport, Emotion und Lifestyle – über das Sponsoring und über maßgeschneiderte Produkte und Reiseangebote.

Kommen wir zum Geschäftsbereich Holiday Experiences. Was tut sich da?

Der Bereich Holiday Experiences – also Hotels & Resorts, Kreuzfahrten und TUI Musement – hat im letzten Jahr wieder eine sehr starke Performance gezeigt. Beim Ergebnis sind die Hotel- und Kreuzfahrtgesellschaften unsere stärkste Säule. Ich kenne dieses Geschäftsfeld sehr gut, da ich als Vorstand für den Auf- und Ausbau verantwortlich war. Viele Investitionen in unsere Hotel-Marken wie Riu, Robinson und TUI Blue und neue Schiffe bei Mein Schiff und Hapag Lloyd zahlen sich heute aus. TUI hat neben dem traditionellen Reiseveranstalter ein sehr profitables Geschäftsfeld mit eigenen Produkten aufgebaut. Das wird in der Sicht auf das Unternehmen manchmal unterschätzt. Mit rund 430 Hotels ist TUI eine relevante Größe unter den internationalen Hotelgesellschaften. Wir sind hier gut positioniert und setzen auf weiteres Wachstum, auch in Asien. Bei den Hotels expandieren wir mit unserem „Asset-Right“-Ansatz und haben nach der Pandemie seit 2022 bereits 72 neue Hotels in unsere Pipeline aufgenommen.

Auch TUI Musement treibt den Ausbau ihrer Plattform und die Kommerzialisierung von Erlebnissen, Touren und Transfers voran. Das Geschäftsfeld wächst durch neue Angebote und Aktivitäten. Unsere Ambition ist klar, wir wollen der Partner für Freizeiterlebnisse werden, im Urlaub wie auch zu Hause in Hannover, München oder Amsterdam – wenn der Besuch eines Konzertes oder im Museum geplant wird, wie beim Ausflug auf Mallorca. Dazu werden wir unser Angebot deutlich ausweiten. Aber ich bin überzeugt, die starke TUI Marke gibt das her: Urlaub, Freizeit, TUI – und das mit einem Klick in der App. Im Kreuzfahrtsegment setzt sich die sehr positive Entwicklung fort.

TUI Cruises ist unter den profitabelsten großen Reedereien weltweit. Mit modernen Schiffen, Vielfalt, attraktiven Routen und hervorragendem Service. Wir investieren weiterhin, mit der Einführung der Mein Schiff 7 im Juni 2024 und zwei weiteren Schiffsneubauten in den nächsten zwei Jahren. Jedes neue Schiff bringt mehr Differenzierung durch innovative Produkte und Nachhaltigkeitsmerkmale. Mein Schiff ist eine Klasse für sich, wenn es um Innovation, Qualität und Service geht. Auch bei unserer Marella-Flotte in England haben wir Modernisierungen für unsere Kundinnen und Kunden vorgenommen. Der Hauptumsatz wird mit der Kreuzfahrt-Pauschalreise erzielt, was perfekt zu unserem integrierten Geschäftsmodell passt.

TUI will über Europa hinauswachsen. Wie soll das gehen?

Wir sehen eine global wachsende Nachfrage. Dafür nutzen und erweitern wir unsere starke Position in Bezug auf Marke, Vertrieb, Produkte und Präsenz in den Zielgebieten. Konkrete Beispiele sind die bereits erwähnte Expansion in Osteuropa – gerade erst haben wir Tschechien gestartet, andere Märkte in Osteuropa werden folgen – und wir haben bei TUI Iberia unsere digitale Plattform für Kunden aus Südeuropa sowie aus Lateinamerika an den Start gebracht. Im Hotelgeschäft sind wir schon lange global unterwegs, überwiegend mit eigenen Hotels in Europa, in der Karibik, in Asien und in Afrika. China und andere asiatische Länder kommen mit ersten TUI Blue Hotels gerade hinzu. Langfristig werden wir über unsere Plattformen das globale Wachstum vorantreiben.

Nachhaltigkeit bleibt ein wichtiges Thema. Wie geht TUI damit um?

Nachhaltigkeit ist für TUI seit vielen Jahren von zentraler Bedeutung. Und zwar ganzheitlich, damit meine ich die Umwelt, die soziale Nachhaltigkeit und die Lebensbedingungen vor Ort in den Urlaubsländern. Wir können dauerhaft ein zukunftssicheres Geschäftsmodell nur aufbauen, wenn wir dies auf nachhaltige Weise tun und alle Partner einbinden und diese profitieren, insbesondere die Länder und Menschen vor Ort, dort wo unsere Urlauber zu Gast sind. Wir engagieren uns offen im Dialog zu Themen wie Overtourism in unseren Zielgebieten, zu regulatorischen Rahmenbedingungen sowie den Chancen für mehr Umwelt- und Klimaschutz. Bei der ökologischen Nachhaltigkeit sind unsere Ziele gemeinsam mit der Science Based Target Initiative entstanden, und wir konzentrieren uns voll auf die Umsetzung der Ziele und unserer Nachhaltigkeitsagenda.

Was bedeutet das konkret?

Ich bin überzeugt, dass wir viele Ziele im Klimaschutz eher erreichen können als wir uns das heute vorstellen. Oft wird öffentlich über die Kosten debattiert, wir sollten alle mehr über den Nutzen sprechen. Damit meine ich nicht nur unsere Verantwortung. Viele Investitionen in Nachhaltigkeit rechnen sich, sie sind also auch wirtschaftlich richtig. Denn oft wird nur auf den Preis der Anschaffung geschaut, zu wenig auf die Produktionskosten. Betrachtet man beides, sieht die Rechnung anders aus. Ich sehe ein Umdenken – wir bei TUI kommen gut voran, weil wir aktive Veränderung wollen. Im Hotelbereich etwa wollen wir bis 2030 den CO2-Fußabdruck fast halbieren, in spätestens 10 Jahren sollten wir auf null kommen. Das geschieht über Solarsysteme auf den Dächern der Hotels, verbrauchsärmere Geräte und Anlagen sowie technische Effizienzsteigerungen. Bei unseren Schiffen sind es dagegen Hebel wie grüner Landstrom bei Liegezeiten am Hafen und alternative Kraftstoffe auf See, wie sie bei Mein Schiff 7 zum Einsatz kommen werden.

Wie wichtig sind Ihre Mitarbeitenden für den Erfolg von TUI?

Sie sind das Herz der TUI. Sie stehen für die Marke, für Qualität und für den Spirit der TUI. Dazu gehören ein extrem gutes Miteinander, eine Bereitschaft zur Veränderung und der Wunsch, gemeinsam zu wachsen, zu gewinnen. Wir schauen genau hin, wie es unseren fast 67.000 Mitarbeitenden geht, was sie denken, wo es Raum für Verbesserung gibt. Was mich hier freut: Im letzten Jahr konnten wir einen starken Anstieg des Engagement-Scores auf 80 Punkte verzeichnen, 8 Punkte mehr als im Vorjahr. Auch im Group Executive Committee hat sich ein starkes Management-Team gebildet, das gemeinsam in eine Richtung zieht. Das macht sich auch bei der Belegschaft motivierend bemerkbar und schafft Sicherheit und Klarheit. Ebenso schauen wir darauf, dass alle Kolleginnen und Kollegen die digitale Transformation einschließlich künstlicher Intelligenz als Chance für sich selbst und für die TUI begreifen. An dieser Stelle möchte ich – auch im Namen des Group Executive Committee – ein großes Dankeschön an alle Mitarbeitenden der TUI aussprechen, die mit hoher Professionalität, Leidenschaft und großem Einsatz am Erfolg der TUI im abgeschlossenen Geschäftsjahr gearbeitet haben. Die Energie bei den Mitarbeitenden ist enorm, das schweißt zusammen und gibt viel Kraft.

Wie zufrieden sind Sie mit den politischen Rahmenbedingungen in ihren Märkten?

Ich glaube an die Chancen, die Europa hat. Aber die Politik muss sich aus den Fängen derer befreien, die immer mehr und immer Neues regulieren wollen. Es gibt vieles, was nicht rund läuft. Die Überregulierung, insbesondere in Deutschland und der EU, behindert Investitionen und Wachstum. Die Standortkosten sind einfach zu hoch. Stattdessen benötigen wir Investitionen in die digitale Infrastruktur und einen deutlichen Abbau von Bürokratie. Ein Moratorium für Gesetze ist zwingend – insbesondere die EU sollte sich auf weniger Felder konzentrieren. Was mache ich im Unternehmen, wenn ich Herausforderungen sehe? Ich konzentriere mich auf drei oder vier große Ziele, die einen Hebel haben. Dem ordne ich andere Themen unter. Denn nicht alles, was wichtig ist, ist auch dringlich. Ich glaube, dass das auch in der Politik funktioniert. Es muss allerdings den Willen geben zu priorisieren und dann zu führen. Das gilt auch für die Finanzen und den Haushalt. Ein Beispiel unserer Industrie: Die Pauschalreisen werden durch immer neue regulative Auflagen verteuert, etwa durch den Deutschen Reisesicherungsfonds oder sehr umfassende Entschädigungsregelungen bei Verspätung. Das sollte überarbeitet werden, um faire Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter zu schaffen. Da sollte die Politik ran, denn die Pauschalreise bietet den besten Verbraucherschutz. Hier brauchen wir gleiche Rahmenbedingungen zu den reinen Onlineplattformen. Wer Reisen anbietet, muss sich um die Kunden kümmern und sie absichern.

Zum Schluss: Wie sieht es für TUI im kommenden Jahr aus?

Ich bin auch für die Zukunft optimistisch. Am Urlaub sparen unsere Gäste auch in Krisenzeiten nicht so schnell. Dennoch sind wir gewappnet aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa. TUI ist auf einem guten Weg, ein globaler Marktplatz für Urlaubsund Freizeiterlebnisse zu werden. Wir haben die richtigen Voraussetzungen geschaffen, um unsere mittelfristigen Ziele zu erreichen: globale Plattformen aufzubauen, Harmonisierung voranzutreiben und unser Geschäft weltweit auszurollen. Durch das Wachstum mit neuen Produkten und die Ansprache neuer Kunden werden wir Marktanteile gewinnen, Wachstum und Erträge steigern sowie – ganz wichtig – unseren Cashflow weiter verbessern. Und wir werden regional unabhängiger von Europa. Dabei behalten wir den Fokus auf Qualität, Nachhaltigkeit und TUI als hervorragende Arbeitgebermarke. Hinter all dem steht ein starkes TUI Team, die Kolleginnen und Kollegen weltweit. Damit gehe ich zuversichtlich ins kommende Jahr.