19. Juni 2019

Nachhaltigkeitsmanagement bei der TUI Group

TUI ist ein börsennotiertes Unternehmen und seinen Aktionären verpflichtet. Wie soll da Platz sein für soziale und ökologische Zielsetzungen?

Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Ich sehe da ein positives Zusammenspiel, keinen Gegensatz. Das Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit wächst. Denken wir an die Diskussionen über die Nutzung von Plastik oder an den Schutz der Meere. Wenn das Bewusstsein wächst, hat es auch Auswirkungen auf unsere Entscheidungen als Kunde. Dauerhaft erfolgreich sind wir deshalb, wenn wir die Erwartungen aller relevanten Stakeholder-Gruppen in unsere Entscheidungen einbeziehen. Das sind unsere Gäste, die Aktionäre, unsere Kolleginnen und Kollegen und die Menschen in den Urlaubsländern. Von diesem Ansatz wird unsere Nachhaltigkeitsstrategie „Better Holidays, Better World“ geleitet. Zwei Beispiele: 2017 forderten 53 Prozent unserer Kunden, dass Veranstalter in ökologische und soziale Initiativen investieren. 2012 lag der Wert noch bei 39 Prozent. Und in Nordeuropa will etwa ein Drittel unserer Kunden ihre Reisepläne künftig noch stärker auf Nachhaltigkeit ausrichten. Nachhaltigkeit ist also auch für die strategische Aufstellung eines Unternehmens zunehmend von Relevanz – bei Kunden und Aktionären und auch bei Mitarbeitern, die sie sich für TUI als Arbeitgeber interessieren. 

Aber der Nachhaltigkeitsbegriff ist schwammig. Was erwarten die Kunden denn konkret?

Nachhaltigkeit ist heute deutlich klarer definiert als vor zehn Jahren, der Anspruch ist präziser, die Ergebnisse sind messbarer. Ein Konzern wie TUI hat deshalb eine mehrjährige Nachhaltigkeitsstrategie, die alle Geschäftsfelder berührt. Zum Beispiel wenn wir neue Flugzeuge oder Schiffe bestellen oder ein Hotel bauen oder umbauen. Das beginnt bereits bei der Planung eines neuen Hotels: kann ich Solaranlagen betreiben wie in den Robinson Clubs in Agadir und Apulien, welche Leuchtmittel setze ich ein, wie wird der Palmengarten gestaltet, um den Wasserverbrauch zu reduzieren. Neben der ökologischen Nachhaltigkeit rückt bei TUI auch die soziale Nachhaltigkeit stark in den Fokus. Wir haben Verantwortung für die Urlaubsländer und hinzu kommt der Wunsch unserer Kunden nach Authentizität. Viele Menschen wollen im Urlaub lokale Produkte kennen lernen, stärker als früher wollen sie in die Kultur eintauchen und Kontakt zur Bevölkerung vor Ort aufnehmen. Daraus erwächst zugleich eine größere Sensibilität für die Umstände vor Ort: Wie sind die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen im Tourismus? Profitieren die Menschen von den Ausgaben der Touristen? Wie steht es um Müllentsorgung, um Energieeffizienz und Umweltschutz am Urlaubsort? Wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst, und sind nicht nur Geschäftspartner für die Urlaubsländer, sondern verstehen uns als echter Partner. In vielen Ländern ist TUI seit mehr als 50 Jahren, das ist ein enorm starkes Band. 

Kann TUI die Erwartungshaltung denn überhaupt erfüllen?

TUI war in der Tourismusbranche der Vorreiter in Sachen Umwelt und Nachhaltigkeit. Auch heute setzen wir Standards. Über 80 Prozent der TUI Hotels und Ressorts sind nach globalen Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert. Bereits über 9 Millionen Urlauber haben 2018 ihren Urlaub in einem zertifizierten Hotel verbracht. Wir arbeiten daran, diese Zahl weiter auszubauen. Ein zweites Beispiel sind unsere Ausflüge. Die TUI Collection Exkursionen müssen Nachhaltigkeitskriterien entsprechen und beispielsweise die Umwelt schonen oder der lokalen Bevölkerung zugutekommen. 2018 wurden diese Angebote 1,2 Millionen Mal gebucht – gegenüber 2017 ein Plus von 15 Prozent. 

TUI arbeitet mit vielen Hundert Partnern zusammen. Welchen Einfluss können Sie da nehmen?

Als TUI Group versuchen wir, die Partner in den Zielländern von unserem Ansatz zu überzeugen. Bei TUI arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern an einem nachhaltigen Tourismus. Wir treffen uns regelmäßig mit politischen Entscheidern in den Destinationen und mit anderen Stakeholdern, um unseren Ansatz für Nachhaltigkeit zu diskutieren und gemeinsam weiter zu entwickeln. Die Hotel- und Ausflugspartner sind essentiell, um unsere Nachhaltigkeitsziele vor Ort zu erreichen. Mit ihnen arbeiten wir kontinuierlich daran, ambitionierte Ziele zu setzen und diese dann auch gemeinsam zu erreichen. Darüber hinaus sind wir mit der TUI Care Foundation in 30 Projekten in 25 Ländern weltweit vor Ort engagiert. Nehmen wir das Beispiel Kreta. Dort unterstützt die Foundation rund 200 Kleinbauern dabei, Weintrauben und Oliven auf nachhaltige Weise anzubauen. Zudem werden sie direkt mit dem Tourismussektor vernetzt, damit sie vor Ort ihre Produkte vertreiben können. Wir haben für die vielen kleinen, lokalen Betriebe eine Art Genossenschaft entwickelt. Jeder für sich war zu klein, um die Anforderungen von Hotels und Restaurants zu erfüllen. Jetzt arbeiten die lokalen Betriebe zusammen. Ähnliche Projekte laufen nach den positiven Erfahrungen in Griechenland in Spanien und in der Türkei. Das schafft konkrete Perspektiven, Arbeitsplätze und Beschäftigung vor Ort. Und mit den TUI Academies eröffnet die Stiftung benachteiligten Jugendlichen Chancen auf eine Berufsausbildung. Bildung und Ausbildung sind der Schlüssel zu einem besseren Leben. Das ist sehr nachhaltig für die Menschen vor Ort im Urlaubsland.

Die bisherige Nachhaltigkeitsstrategie reicht bis 2020. Was kommt dann?

Die weitere Planung mit der Perspektive bis 2030 haben wir 2018 gestartet. Dafür haben wir zunächst Kunden, Mitarbeiter und Finanzmärkte ebenso befragt wie Politik, Medien, NGOs, Wissenschaft, Aktionäre und Geschäftspartner. Eine erste Analyse zeigt, dass sich viele Erwartungen hinsichtlich unserer Schwerpunktsetzung bei Nachhaltigkeitsthemen decken. Im laufenden Jahr werden wir unsere Strategie für 2020 – 2030 konkreter formulieren. Wir wollen auf diesem Feld der Vorreiter für die Tourismusindustrie bleiben. Dazu stehen das Management und unsere 70.000 Kolleginnen und Kollegen bei TUI.